Gewerkschaften in Franken – und wann der Beitritt sinnvoll sein kann

aktualisiert am 04.07.2025  | 
Artikel von: Stefan Zinke
Gewerkschaften setzen sich für bessere Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung ein.

Gewerkschaften sind ein Konglomerat aus Arbeitnehmern, die das Ziel haben, die beruflichen Bedingungen für ihre Mitglieder zu verbessern. Dennoch ist der Anteil von Arbeitnehmern, die sich einer Gewerkschaft anschließen, seit der Wiedervereinigung im freien Fall. Woran liegt das?

Der Arbeitsmarkt hat sich stark verändert. Atypische Beschäftigungen sind keine Randerscheinung mehr, die traditionellen Industrien verlieren an Relevanz. Verbesserungen für Arbeitnehmer haben Gewerkschaften wohl irrelevant werden lassen. Oder doch nicht? 2023 gab es seit über 20 Jahren wieder einen Zuwachs an Gewerkschaftsmitgliedern. Haben Gewerkschaften in unseren aktuellen, unsicheren Zeiten vielleicht doch eine größere Relevanz als wir denken?

Was macht eine Gewerkschaft?

Gewerkschaften vertreten die Interessen ihrer Mitglieder – meist Arbeitnehmer – bei der Umsetzung ihrer Rechte und der Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen. Sie verhandeln Tarifverträge, die Löhne, Arbeitszeiten und andere wichtige Aspekte der Beschäftigung regeln. Sie streben die Verbesserung der beruflichen Lebensqualität ihrer Mitglieder an. Kommt es hart auf hart, organisieren sie Streiks, um die Ziele des Einzelnen erfolgreich durchzusetzen.

Wo liegt der Unterschied zum Arbeitgeberverband?

Arbeitgeberverbände sind das exakte Gegenstück zur Gewerkschaft. Sie dienen als Vertreter der Arbeitgeber und setzen sich für deren Interessen ein. Vereinigungen, wie die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände unterstützen Unternehmen, die Mitglieder sind beispielsweise bei Tarifverhandlungen.

Muss ich einer Gewerkschaft beitreten?

Der Beitritt zu einer Gewerkschaft ist generell freiwillig. Dennoch kann er, insbesondere für Berufsanfänger, einige Vorteile mit sich bringen. Gewerkschaften bieten Unterstützung bei der Orientierung im Berufsleben, helfen bei rechtlichen Fragen und bieten Zugang zu Weiterbildungsangeboten. Darüber hinaus profitieren Mitglieder von tariflichen Regelungen, die oft bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen sichern.

Die grundlegenden Netzwerke, die mit einem Beitritt zu einer Gewerkschaft aufgebaut werden, können auch bei späteren Arbeitgeberwechseln eine große Unterstützung bieten.

Muss ich meinen Chef informieren, dass ich in einer Gewerkschaft bin?

Arbeitgeber dürfen weder bei der Einstellung eines neuen Mitarbeiters noch in der späteren Zusammenarbeit die Gewerkschaftszugehörigkeit erfragen. Dies gilt als Eingriff in die Privatsphäre, die gesetzlich sichergestellt werden muss. Andernfalls könnte das Wissen über die Tätigkeit in einer Gewerkschaft zu bewusster oder unbewusster Benachteiligung des Arbeitnehmers führen.

Doch es gibt auch zwei Ausnahmen. So dürfen Tendenzbetriebe, also Organisationen ohne wirtschaftliche Ziele, wie beispielsweise die Kirche, solche Informationen erfragen, da hier eine gewisse Werteübereinstimmung gegeben sein muss.

Auch wenn du nach Tarif bezahlt wirst, darf dein Arbeitgeber dich nach einer Gewerkschaftsmitgliedschaft befragen, allerdings noch nicht im Vorstellungsgespräch. Grund ist die Berechnung von Tarifverträgen. Dies ist insbesondere relevant bei Tarifpluralität, also wenn mehrere Tarifverträge von verschiedenen Gewerkschaften für die gleichen Arbeitnehmer gelten. In solchen Fällen muss der Arbeitgeber wissen, welcher Tarifvertrag anzuwenden ist, um die korrekte Lohnberechnung und passende Arbeitsbedingungen sicherzustellen.

Übrigens: In Bayern sind 47 Prozent aller Beschäftigten tariflich gebunden. Das sind zwei Prozent weniger als im deutschen Durchschnitt. Vornehmlich in der öffentlichen Verwaltung, der Energieversorgung und dem Erziehungssektor sind Tarifbindungen üblich.

Vorteile eines Gewerkschaftsbeitritts

Als Mitglied einer Gewerkschaft kannst du von gewissen Vorteilen profitieren:

  1. Rechtliche Unterstützung: Wenn es zu Konflikten am Arbeitsplatz kommt, kann dir die Gewerkschaft rechtliche Unterstützung an die Seite stellen. Du erhältst eine kostenlose Rechtsberatung und kannst im Falle eines Streiks vom „Streikgeld“ profitieren.
  2. Solidarität und Gemeinschaft: Gewerkschaften fördern die Solidarität unter Arbeitnehmern und stärken das Gemeinschaftsgefühl. Sie bieten dir eine Plattform für aktive Mitgestaltung der Arbeitswelt.
  3. Bekämpfung von Diskriminierung: Sie setzen sich aktiv dafür ein, dass alle Arbeitnehmer unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer Herkunft, sexueller Orientierung oder anderen persönlichen Merkmalen fair behandelt werden. Ein Aspekt ist hierbei die Aushandlung von Tarifverträgen und die Umsetzung von Richtlinien für eine inklusive Arbeitsumgebung.
  4. Unterstützung bei der Karriereentwicklung: Der Zugang zu Weiterbildungsangeboten und Qualifizierungsmaßnahmen wird bereitgestellt, um deine berufliche Entwicklung zu fördern.
  5. Bessere Arbeitsbedingungen: Mitglieder profitieren von tariflichen Regelungen, die oft bessere Gehälter und Arbeitsbedingungen sichern.
  6. Politische Lobbyarbeit: Auch wenn Lobbyarbeit häufig kritisch betrachtet wird, ist sie für Gewerkschaften ein wesentliches Instrument zur Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer. Gewerkschaften sind daran interessiert, deine Arbeitsbedingungen zu verbessern.

Welche Gewerkschaften gibt es in Franken?

In Deutschland gibt es eine Vielzahl verschiedenster Gewerkschaften für die unterschiedlichsten Berufsfelder. Diese sind wiederum in Dachverbände eingegliedert, von denen der Deutsche Gewerkschaftsbund, der mit Abstand größte ist.

Folgende Gewerkschaften sind dem Gewerkschaftsbund angehörig:

Insgesamt gibt es in Deutschland aktuell 614 verschiedene Gewerkschaften, 59 davon in Bayern. In Bamberg ist beispielsweise ver.di ansässig und unterstützt Beschäftigte in der Dienstleistungsbranche, wie im Einzelhandel, der Logistik oder im Gesundheitswesen. Da kann die Auswahl schwerfallen, aber der DGB hilft dir, die Gewerkschaft zu finden, die zu dir passt.

Ich bin Student, gibt es auch für mich eine Gewerkschaft?

Es gibt durchaus Gewerkschaften, die sich an Studierende richten. So gibt es oftmals Studentengruppen, die unter dem DGB organisiert sind. Hier erhältst du Unterstützung von Gleichgesinnten sowie Zugang zu Rechtsberatung und Rechtsschutz, was besonders bei arbeitsrechtlichen Konflikten hilfreich sein kann.

Wenn du neben dem Studium arbeitest, zum Beispiel als Werkstudent, kann eine Mitgliedschaft in einer regulären Gewerkschaft von Vorteil sein. Viele Gewerkschaften bieten zudem spezielle Mitgliedschaftsoptionen oder ermäßigte Beiträge für Studierende an, um den Zugang zu gewerkschaftlichen Vorteilen zu erleichtern. Darüber hinaus kannst du durch die Mitgliedschaft zur kollektiven Verhandlungsmacht beitragen und politische Anliegen unterstützen, wie die Verbesserung von Arbeitsbedingungen oder die Forderung nach sozialer Gerechtigkeit.

Wie trete ich einer Gewerkschaft bei?

Der Beitritt zu einer Gewerkschaft erfolgt in der Regel durch das Ausfüllen einer Beitrittserklärung, die du bequem online oder persönlich in den lokalen Gewerkschaftsbüros einreichen kannst. Viele Gewerkschaften bieten zudem die Möglichkeit einer Schnuppermitgliedschaft an, sodass du die Vorteile und Angebote unverbindlich kennenlernen kannst. Eine festgelegte Mindestdauer für die Mitgliedschaft gibt es meist nicht, was dir Flexibilität bietet. Solltest du dich entscheiden, die Mitgliedschaft zu beenden, ist in der Regel eine Kündigungsfrist von etwa drei Monaten zum Monatsende zu beachten.

Wie viel kostet mich eine Gewerkschaftsmitgliedschaft?

Üblicherweise liegt der monatliche Beitrag bei einem Prozent deines monatlichen Bruttoeinkommens im Falle eines Tarifvertrags. Bist du nicht tariflich angestellt, gilt der durchschnittliche Bruttolohn für deine Anstellung. Der Beitritt ist dementsprechend günstig. Studierende zahlen oftmals Festbeträge. So beträgt dein Anteil bei der IG-Metall als Student in Vollzeit 2,05 Euro im Monat.

Die Beiträge werden vom Bruttolohn abgezogen und können von der Einkommenssteuer als „Werbekosten“ geltend gemacht werden. Somit kannst du einen Teil der Kosten zum Jahresende zurückbekommen.

Bekannte Errungenschaft durch Gewerkschaften

Gewerkschaften sind die Grundlage einer Vielzahl positiver Entwicklungen in der Arbeitswelt. Regelungen, wie etwa die Acht-Stunden-Woche oder auch ein geregelter Mindestlohn würde es ohne Gewerkschaften vermutlich nicht geben. Gewerkschaften aber darüber hinaus maßgeblich zur Einführung von Arbeitsschutzgesetzen beigetragen.

Die Einführung von Kranken- und Urlaubsgeld ist eine weitere Errungenschaft von Arbeitnehmervertretungen, die wir heutzutage als selbstverständlich erachten. Folgende Verbesserungen lassen sich direkt auf Gewerkschaften zurückführen:

  • Mitbestimmungsrecht für Arbeitnehmer
  • Zahlungen von Krankengeld
  • Zahlungen von Urlaubsgeld
  • Antidiskriminierungsverordnungen
  • Einführung der Elternzeit
  • Stärkung der Rentenansprüche
  • Einführung der Acht-Stunden-Tage bzw. der 40-Stunden-Woche
  • Einführung eines Mindestlohns