In der Schule war es einfach: Stand dort eine Eins im Zeugnis, war es sehr gut. Bei Arbeitszeugnissen ist die Lage weniger übersichtlich. Statt Noten findet der Mitarbeiter dort häufig blumige Worte seines Arbeitgebers, wie er sich im Job geschlagen hat. Diese zu verstehen, ist oft gar nicht so leicht. Doch Arbeitnehmer sollten sich die Mühe machen und sich mit den Formalien zum Arbeitszeugnis auseinandersetzen. Denn fällt das Zeugnis gut aus, ist das häufig die Eintrittskarte in den nächsten Job.
"Jeder Mitarbeiter hat am Ende eines Arbeitsverhältnisses das Recht auf ein Arbeitszeugnis", sagt Kagan Ünalp, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Das Bürgerliche Gesetzbuch verpflichtet Arbeitgeber außerdem, eine ausführliche Bewertung zu schreiben, wenn der Arbeitnehmer das verlangt. "Wird kein qualifiziertes Arbeitszeugnis eingefordert, genügt theoretisch auch eine einfache Bescheinigung mit Angaben zur Person sowie zur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses." In der Praxis kommt das aber kaum vor.
Der erste Absatz des Arbeitszeugnisses sollte die Aufgaben beschreiben, die im Unternehmen übernommen wurden. "Wenn die Leistungsaufzählung nicht vollständig ist, hat der Arbeitnehmer einen Berichtigungsanspruch", sagt Georg-R. Schulz, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Größer ist der Spielraum der Arbeitgeber bei der Bewertung der Leistung. Doch auch hier gibt es Grenzen: Laut Gesetz muss die Beurteilung positiv formuliert sein. Eindeutig negative Formulierungen können vor Gericht angefochten werden.
Zwischen den Zeilen lesen
Das ist auch der Grund für die oft verklausulierte Zeugnissprache - die eigentliche Botschaft steht zwischen den Zeilen.
"In manche Sätze kann sehr viel hineininterpretiert werden, aber dann meist nichts Gutes", erklärt Karrierecoach Marion Hodapp. Ein Beispiel: "Der Mitarbeiter war aufgrund seines hohen Fachwissens in der Lage, seine Aufgaben fachgemäß zu bearbeiten." Dahinter versteckt sich sicher kein Lob: War er nur in der Lage, blieb wohl vieles liegen.
"Manchmal will ein Arbeitgeber auch das Beste, aber er beherrscht die Formulierungen selbst nicht", erklärt Schulz. Viele Unternehmen greifen für die Leistungsbewertung auf feste Floskeln zurück, die den Schulnoten entsprechen. Eine Eins plus steckt hinter dem Satz: "Er erledigte seine Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit." Fehlt das "stets", muss eine Note abgezogen werden. "Wer mit seinem Zeugnis nicht einverstanden ist, kann auch eine bessere Bewertung einklagen", ergänzt Ünalp.
Die Arbeitsgerichte gehen davon aus, dass im Regelfall eine durchschnittliche Leistung erbracht worden ist. "Ist die Note im Arbeitszeugnis schlechter als eine Drei, ist der Arbeitgeber in der Beweispflicht." Verlangt der Arbeitnehmer dagegen, mit "gut" oder "sehr gut" bewertet zu werden, muss er das nachweisen.
Bild: Monique Wüstenhagen
Text: dpa-mag